„Fußballspielen war immer meine Leidenschaft“: Interview mit Lars Stetten
2021-09-08 | Von Orcam Staff
Lars Stetten ist OrCam-Nutzer und spielt bei Hertha BSC Berlin in der Blindenfußballmannschaft. Wir haben ihn zu seiner Augenerkrankung, seinem Werdegang und zur OrCam befragt.
Hallo Lars, magst du kurz erzählen wer du bist und was du machst?
Ich bin Lars Stetten und wurde tatsächlich in Berlin geboren. Als Jahrgang 75 lebte ich mit meinen Eltern in Westberlin und spiele heute u.a. für die Blindenfußballmannschaft von Hertha BSC Berlin in der Bundesliga.
Du hast eine Sehbehinderung. Wie kam es dazu?
Meine Erkrankung nennt sich Retinitis pigmentosa. Das ist eine Erbkrankheit, bei der die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut absterben, was letztlich zur Blindheit führt. Meine Mutter hat die Erkrankung auch und ist damals auch komplett erblindet. Ich habe noch einen Sehrest von ca. 1% und kann noch Schatten und Umrisse wahrnehmen.
Wie war das mit dem Einstieg in den ersten Job?
Ich hatte gegen Ende des Studiums die Chance, meine Diplomarbeit bei einer Webagentur zu schreiben. Bei der Bewerbung ging ich offen mit meiner Sehbehinderung um und mir kam sicher zugute, dass Blinde in Marburg „zum Stadtbild“ gehören und dort letztlich auch die lokalen Unternehmer mit dem Thema vertraut sind. Da kam ich dann mit dem Thema Online-Marketing in Berührung, in dem ich heute noch als Freiberufler arbeite.
Ich weiß, dass du eine Firma gegründet hast – was genau macht ihr und wie war der Weg dorthin?
Meine Diplomarbeit beschäftigte sich mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung (SEO). An dem Thema blieb ich dran und habe dann zuerst in einer Agentur gearbeitet. Ich kam dort aber irgendwann nicht mehr weiter und bin gegangen. Als nächstes habe ich dann für einen Onlineshop gearbeitet, der historische Ansichtskarten verkauft hat. Die Webseite hatte gefühlt eine Million Unterseiten und ich war dort für das gesamte Onlinemarketing verantwortlich. Als ich auch dort aufhörte, folgte eine lange Bewerbungs-Odyssey. Ich habe überlegt, wo eigentlich meine Stärken sind und kam darauf, die Psychologie mit dem technischen Thema zu verbinden.
Meine besondere Situation hat dann für mich gefiltert. Im Arbeitsamt blieben nur 3 Ergebnisse in der Suche übrig, als ich das Häkchen „geeignet für blinde und sehbehinderte Menschen“ gesetzt hatte. Es folgte eine Weiterbildung im Bereich Coaching und dadurch kam ab 2017 die Lust auf, das Thema selbständig anzubieten. Es dauerte dann bestimmt noch ein dreiviertel Jahr bis ich arbeitsfähig war (Hilfsmittel bestellen, Frau als Arbeitsassistenz mit 25h anmelden, viel Bürokratie). Schwerpunkt heute ist ganz klar die Suchmaschinenoptimierung, also wie komme ich mit meinen Themen gut bei Google vor. Aber eben aus einer ganzheitlichen Perspektive. Eine Nische in dem Bereich habe ich zusätzlich besetzt: Wir erhöhen die Sichtbarkeit von Podcasts.
In meiner täglichen Arbeit heißt das: Daten messen, Besucherverhalten genau anschauen, Tools bedienen können. Manche dieser Werkzeuge sind sehr barrierefrei, bei anderen brauche ich die Unterstützung meiner Frau. Barrierefrei heißt, dass dort viel über das Thema Sprachausgabe geht. Hier setze ich ganz auf Mac und das iOS Betriebssystem. Zusätzlich nutze ich rudimentär noch eine Braillezeile.
Wir machen mal einen harten Themenwechsel: Du spielst Blindenfußball und das richtig professionell – wie kam es dazu ?
Ich war schon immer ein sportlicher Typ. Fußballspielen war immer meine Leidenschaft. Nach dem Studium habe ich einen Sport gesucht, den ich trotz Vollzeitstelle noch machen kann. Ich kam dann auf das Thema Blindenfußball. Das gibt es erst seit 2006 in Deutschland, 2010 bin ich darauf gestoßen und war sehr schnell angefixt. Während ich zu Schulzeiten bei Ballsportarten immer außen vor war, konnte ich hier diese Leidenschaft endlich wieder ausleben. Es wurde über die Zeit immer professioneller und seit 2020 spiele ich in der Blindenmannschaft von Hertha BSC Berlin.
Wie oft trainiert und spielt ihr?
Wir haben die Sepp Herberger Stiftung im Hintergrund und bilden eine eigene kleine Liga mit acht bis neun Mannschaften. Wir trainieren ca. 3-mal pro Woche. Blindenfußball ist eine paralympische Sportart und in anderen Ländern nochmal etablierter als hier. Letztlich gibt es die Liga, diverse Testspiele und Turniere. Die Liga findet an fünf Wochenenden im Jahr statt, verteilt auf 3 – 4 Monate. Dazu kommen 7 – 8 Termine, an denen man gegen andere Mannschaften spielt. Ich mache das jetzt 10 Jahre und war immer dabei, wenn ich nicht verletzt war und ich liebe es bis heute!
Wie bist du zur OrCam MyeEye gekommen?
Kennengelernt habe ich das Gerät bei der Beantragung im Rahmen der Selbständigkeit. Ich fand das auch technisch spannend und habe es dann einfach mal ausprobiert. Die Intention dahinter war einerseits, dass wenn ich mit Kunden zu tun habe, immer mal Dokumente vorliegen, die nicht elektronisch zur Verfügung stehen. Da ist die OrCam MyEye vor allem unterwegs und spontan sehr praktisch. Wenn ich in Workshops mit klassischen Powerpoint-Präsentationen sitze, kann ich mit dem Gerät auch aus der letzten Reihe die Folien verfolgen. Auch für eigene Workshops nutze ich OrCam gern. Auf Messen war ich positiv überrascht, was das Gerät alles erfassen kann. Dort hängt ja an jeder Ecke Text in Form von Bannern, Aufstellern, Flyern usw. Die Flexibilität des Geräts ist ein großer Pluspunkt. Gewöhnungsbedürftig ist für mich noch die Brille – ich fände es schöner, wenn es hier eine andere Lösung geben würde. Die Brille suggeriert irgendwie, dass man noch was sieht. Das verändert die Kommunikation. Da entstehen dann teilweise Missverständnisse, die nicht sein müssten.
Gibt es große Projekte oder Träume, die noch offen sind?
Cool wäre, wenn ich in 15 Jahren im selbstfahrenden Tesla umherfahren kann. Meine Frau und ich lieben das Meer und können uns vorstellen, dort irgendwann zu leben. Schweden wäre eine Option, das mögen wir beide sehr.
Vielen Dank für das Gespräch!
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