Ausbildung für blinde und sehbehinderte Menschen
2019-12-11 | Von Orcam Staff
Wir sind der Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten blinde und sehbehinderte Menschen haben, wenn es um die Themen Ausbildung und Beruf geht. Schaut man auf die verschiedenen Branchen, so gibt es vor allem in den Bereichen IT, Büroorganisation, Physiotherapie, Metallverarbeitung, Hauswirtschaft und Gartenpflege viele Ausbildungsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen. Denn gerade sie entwickeln durch ihre spezifische Einschränkung Begabungen, die sie von sehenden Arbeitnehmern unterscheiden. Wer nicht gut sehen kann, hört und fühlt meist sehr viel besser.
Berufe, in denen diese Talente von Vorteil sind, wären Physiotherapeuten oder Klavierstimmer. Natürlich gibt es aber auch Ausbildungen, die speziell für blinde und sehbehinderte Menschen geeignet sind. Ein Frauenberuf ist beispielsweise die Medizinische Tastuntersucherin (MTU). Die ausgebildeten Frauen können kleinste Veränderungen der weiblichen Brust erspüren und sind so bei der Krebsvorsorge unverzichtbar.
Ein gutes Gespür brauchen auch Podologen bei therapeutischen Fußbehandlungen. Sprachliches Talent ist bei Schriftdolmetschern gefragt, allerdings muss diese Ausbildung teilweise aus eigener Tasche bezahlt werden. Das ist bei Berufen mit kaufmännischer Ausrichtung wie dem oder der Kaufmännische(r) Assistent(in) mit und ohne Informationsverarbeitung oder für das Fremdsprachensekretariat nicht der Fall.
Gute Vermittlungschancen haben nach abgeschlossener Ausbildung im IT-Bereich auch Informatikkauffrauen oder -männer oder auch Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung oder Systemintegration. Je nachdem, in welchem Lebensabschnitt die Ausbildung begonnen wird, gibt es verschiedene Ansprechpartner, Zuschüsse und Hilfsmittel.
Voraussetzungen für die Ausbildung blinder und sehbehinderter Menschen
Um als blinder oder sehbehinderter Mensch eine Ausbildung oder Umschulung beginnen zu können, bietet sich im Vorfeld eine blindentechnische Grundausbildung oder Grundqualifizierung (BTG) an. Sie bereitet die Betroffenen auf die jeweils passende Ausbildungsmaßnahme vor und wird von Berufsbildungswerken, Berufsförderungswerken und Rehabilitationseinrichtungen angeboten oder durch die Reha-Berater in der Bundesagentur für Arbeit vermittelt. Innerhalb eines Jahres lernen Blinde und Sehbehinderte in der BTG wichtige Techniken, die es ermöglichen, in den bisher ausgeübten Beruf zurückzukehren oder sich in einer neuen Ausbildung zurechtzufinden.
Zu den Voraussetzungen gehören hier das Erlernen der Braille-Punktschrift (Blindenschrift), die Bedienung blindenspezifischer Computerhilfsmittel, Hilfe bei der Orientierung und Mobilität und das Zurechtkommen mit elektronischen Blindenlese- oder -notizgeräten.
Neue Hilfsmittel erleichtern den Alltag in der Ausbildung
Zu den Hilfsmitteln, die eine Ausbildung erleichtern, gehören auch neue mobile Sehhilfen wie die OrCam. Das kleine Gerät wird auf eine Brille gesetzt und die integrierte Kamera nutzt künstliche Intelligenz, um Texte zu lesen, Gesichter zu erkennen oder besser von der Bildungsstätte wieder nach Hause oder in die Bibliothek zu kommen. Die kleine Kamera für die Brille ist als Hilfsmittel von Krankenkassen anerkannt und kann dort beantragt werden.
Ausbildung nach der Schule
Für Schüler und Schülerinnen mit und ohne Schulabschluss steht die Berufswahl an. Bei der Entscheidung, welche Richtung eingeschlagen werden kann, sollte berücksichtigt werden, welche Sehbehinderung vorliegt und ob sie fortschreitend ist.
Möglicherweise muss eine Berufsentscheidung getroffen werden, die ehemals sehbehinderte Menschen auch als Blinde ausüben können. Tatkräftige Unterstützung in der Berufswahl findet man bei speziellen Berufsbildungswerken für Sehbehinderte. Wer hier der richtige Ansprechpartner für Ihr Anliegen ist, erfährt man beim jeweiligen Landesverein des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes.
Ist man eher an einer Ausbildung im freien Markt interessiert, können blinde und sehbehinderte Menschen Fördermittel der Bundesagentur in Anspruch nehmen. Bei den Sachbearbeitern dort sollte nach „U25“ oder „Übergang Schule-Beruf“ nachgefragt werden. Zudem bietet die Bundesagentur für Arbeit auch einen Beratungstest an, der die Stärken und Neigungen der zukünftigen Umschüler und Auszubildenden noch einmal deutlicher macht.
Studieren mit Sehbehinderung
Haben Blinde oder Sehbehinderte den Wunsch zu studieren, können sie neben dem klassischen Präsenzstudium an einer Universität oder Hochschule auch ein Fernstudium oder ein duales Studium parallel zur beruflichen Ausbildung wählen. Um zu schauen, welche Variante in der aktuellen Situation die attraktivste ist, ist der Hochschulkompass ein guter Orientierungspunkt. Das Portal informiert umfassend über alle Studienrichtungen und deren Zugangsvoraussetzungen.
Alternativ zu den bisher genannten Möglichkeiten gibt es Studienmöglichkeiten in Kooperation mit Rehabilitationseinrichtungen. Bei dieser Studienmöglichkeit können Studierende mit Behinderung während des Studiums begleitende Hilfen verschiedener Einrichtungen wie zum Beispiel Pflegedienste nutzen. Die sogenannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen bei dem jeweils verantwortlichen Rehabilitationsträger im Vorfeld beantragt werden. Bei einem Studium in Kooperation wie auch im Regelstudium oder in einer dualen Ausbildung können Sonderregelungen in der Zulassung zu bestimmten Studiengängen und ein Nachteilsausgleich gelten.
Ausbildung als Umschulung oder Wiedereingliederung
Erkranken bereits ausgebildete Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Sehbehinderung und können ihren Beruf nicht mehr ausüben, muss meist umgeschult werden oder sie müssen eine neue Orientierung finden. Einen Neustart in die Berufsfähigkeit unterstützt die blindentechnische Grundausbildung oder Grundqualifizierung (BTG) oder auch von der Bundesagentur für Arbeit vermittelte Berufsförderungswerke für Blinde und Sehbehinderte. Nach plötzlich erfolgter Erblindung oder verschlechterter Sehleistung ist der Berater der Arbeitsagentur im Reha-Zentrum der Ansprechpartner für alles, was für den Berufseinstieg notwendig ist.
Arbeitgeberaufklärung nach wie vor weiterhin nötig
Die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit eingeschränkter Sehkraft scheitert leider noch immer an mangelnder Information. So haben Arbeitgeber finanziell kaum Nachteile, denn die technischen Hilfsmittel, die blinde oder sehbehinderte Personen benötigen, zahlt die Invalidenversicherung (IV). So können dort auch Kompensationsleistungen beantragt werden, da sehbehinderte Arbeitnehmer möglicherweise weniger effizient arbeiten.
Fazit: Blinde und sehbehinderte Menschen haben viele berufliche Möglichkeiten. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt können betroffene Personen durch Maßnahmen und Berufsausbildungen unterstützen, für die sie entweder besonders geeignet sind oder die speziell für sie geschaffen wurden. Besonders bei Ausbildungen und Umschulungen im IT-Bereich ist auch zukünftig die Chance auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz groß.
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